“Wo sind die Ruten?”
Seit wir aus der zweimotorigen Propellermaschine gestiegen sind kreisen meine Gedanken nur um das Eine:
Der ganze Trip ist für die Katz’ wenn die unser Transportrohr mit den Ruten verlieren!
Wir haben weder ein Hotel gebucht noch einen Plan was uns auf Ternate erwarten wird.
Unser Aufenthalt in Jakarta war zu kurz um dort einen Geldwechsler zu suchen und mit dem letzten Flug haben wir uns weit genug von der Zivilisation entfernt, dass die Dollarscheine in unserer Tasche ihre Macht verloren haben.
Ab jetzt müssen wir freestylen.
Aber vorher müssen erst einmal unsere Ruten aus dem Loch in der Wand kommen. Dahinter befindet sich direkt das Rollfeld. An dieser Interpretation eines Gepäckbandes stehen wir nun, umringt von Menschen die uns anstarren wie Aliens. So fühlt sich das also an…
Die meisten von ihnen reisen mit Kartons und zusammengebundenen Tüten. Wenige Koffer sind dabei. Wir überragen jeden Anwesenden um mindestens 30 cm. Ich habe das Gefühl wir leuchten. Als letztes Gepäckstück wird das Transportrohr durch das Loch geschoben. Erleichterung macht sich breit und langsam können wir uns dem nächsten Problem widmen:
Wie kommen wir hier weg? Und wo sollen wir hin?
Auf dem Weg aus dem Flughafengebäude werden wir zum ersten mal vom Sicherheitspersonal genauer betrachtet. Uniformierte treten auf uns zu, schauen auf den Gepäckschein auf dem Transportrohr ohne das Gegenstück auf unserem Ticket zu kontrollieren, strecken eine Hand aus, ohne uns zu berühren, und durchleuchten uns so quasi mental… “Ok, Mister!”
Ich muss an den Gebetsflyer denken.
Als wir aus dem Flughafengebäude treten stehen wir quasi auf der Hauptstraße. Ternate ist im Prinzip ein aktiver Vulkan im Meer, an dessen Fuss sich die einzige Stadt der Insel angesiedelt hat. Die ganze Insel misst gerade einmal 8km im Durchmesser. Ternate City erstreckt sich über das Ostufer der Insel. Weniger als 200.000 Menschen leben hier.
Bevor sich unsere Augen an das grelle Licht gewöhnt haben steht schon ein Taxifahrer vor uns. Praktisch, denn damit ist die Frage geklärt wie wir hier weg kommen. Unpraktisch: wir wissen nicht wohin. “Moneychanger” lautete das Zauberwort, und das obwohl hier niemand wirklich spricht.
Und so gurkten wir auf der Ringstraße der Insel Richtung Stadtkern. Von Verkehrsregeln war dabei nicht sehr viel zu erkennen. Erst an den Ampeln, die zwar funktionierten, aber wohl nicht verbindlich sind, erkannten wir, dass dort Linksverkehr herrscht. Und obwohl mehr gehupt als geblinkt wurde, fühlte es sich zu keinem Zeitpunkt brenzlig an.
Es gibt nur einen Moneychanger auf Ternate. Und nur eine Ringstraße. Der Taxifahrer hatte also nicht den kompliziertesten Job. Solltet ihr jemals nach Indonesien reisen tauscht euer Geld wenn möglich direkt in Jakarta. Auf den äußeren Inseln werdet ihr sonst unsere Erfahrungen teilen:
Den offiziellen Wechselkurs bekommt ihr also nur für unbenutzte 100$-Scheine. Indonesien leidet unter einer Hyperinflation. Ein Euro entpricht etwa 16.000 indonesischen Rupien. Also selbst wenn der Kurs mal um 1000 Rupien abweicht bringt das niemanden ins Armenhaus.
Wir verließen das Büro des Moneychangers als Multimillionäre und checkten im Hotel auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein. Soviel zum “Wohin?”.
Wir hatte einen Aufenthalt auf Ternate von 48 Stunden eingeplant um nicht mit Jetlag in den Dschungel aufzubrechen. Und wir hatten Jetlag. Wir waren zur gleichen Zeit aufgekratzt und hundemüde. Und wir waren so weit von zu Hause entfernt wie es auf diesem Planeten möglich ist. Zeit für einen Spaziergang.
Weiße Menschen nennt man in Indonesien Bulee. Und auf den entfernteren Inseln kennt man Bulee nur aus dem Fernsehen. Und da sind wir Actionhelden. Und wenn man einen Actionhelden sieht und kein Englisch spricht, dann ruft man einfach das, wass man aus dem Fernsehen kennt.
Mister, Mister!
In dem Moment indem man auf diese Ansprache reagiert werden die Menschen dort ganz verlegen.. Ein Bulee und waschechter Actionheld redet mit ihnen und sie wissen nicht wohin mit sich. Wenn man sich kurz Zeit für sie nimmt hört man aber schnell das zweite englische Wort das sie kennen:
Selfie? Selfie, Mister?