Stellt euch mal vor, ihr müsstet wegen eures Jobs die Stadt wechseln. Ihr fliegt zwischen Bonn und Berlin hin und her, eure alte Wohnung ist gekündigt, die Neue wartet darauf gestrichen zu werden. Und so wandelt ihr zwischen Türmen aus Umzugskartons und fragt euch, was noch getan werden muss, beziehungsweise was ihr vergessen habt.
Was liegt in einer solchen Situation näher als ein Angelurlaub? Genau, nichts.
Und da wir davon ausgehen mussten, dass es der letzte gemeinsame Urlaub für dieses Jahr sein würde, wurde kurzerhand das Auto gepackt. Da wir gleich 4 Tage am Wasser sein wollten, ohne Hotel oder jedwegen anderen Luxus, wurde Andrés Auto gleich auch noch voll gemacht. André musste ja sowieso mit, hatte ich ihm doch schon seit Wochen den Mund wässrig gemacht, indem ich die Vorzüge des ostfriesischen Angelreviers betonte.
Die Angelgewässer des ASV Rheiderland e.V. können sich nämlich wirklich sehen lassen.
Schon die Web-Präsenz macht Freude, dort ist die Gewässerkarte mit Hilfe von Google Maps umgesetzt worden. Der interessierte Gastangler kann sich so in aller Ruhe per Karten- oder Satellitenansicht die markierten Gewässer genauer ansehen und Angelpläne schmieden.
Selbstverständlich hatten André und ich davon in den letzten Tagen ausreichend Gebrauch gemacht mit dem einzig möglichen Ergebnis:
Wir sind juckig! Wir wollen ans Wasser!
Gegen 9 Uhr setzten wir uns also in die vollgestopften Autos und reihten uns in diverse Staus um Köln herum ein. Mit dem Ergebnis, dass bei unserer Ankunft bereits die meisten der Ausgabestellen für Gastkarten geschlossen hatten. Mit leichtem Schweißfilm auf der Stirn fanden wir aber noch den “Holz und Bau Hobbymarkt” in Weener der in seiner sehr beachtlichen Angelabteilung unsere begehrten Dokumente bereitliegen hatte.
Von dort aus war es auch nur noch ein Katzensprung bis zu der von uns auserkorenen Stelle. Und unser Spot war perfekt. Nach dem eintönigen Sieltief verbreiterte sich die stelle auf gute 40 m. Zwei kleine Einläufe, ein Bootsanlegesteg und überhängende Bäume.
Es roch hier quasi nach Fisch!
Um so eiliger hatte ich es jetzt unser Lager für die kommenden Tage aufzubauen. Schließlich wollte ich nicht erst in der Abenddämmerung anfangen und kostbare Zeit in der heißesten Beißzeit verschwenden.
Andrea hat dafür aber gar keine Aufmerksamkeit übrig. Offensichtlich hatte ihr sechster Sinn angeschlagen, denn wie ferngesteuert schnappte sie sich ihre Shimano und ging zielstrebig aufs Wasser zu. André und ich kamen nicht einmal dazu die erste Gepäckladung abzusetzen als wir von Andrea schon ein halb freudiges, halb erstauntes “Fisch!”hörten. Während wir uns noch mit offenem Mund anstarrten zog die Dame meines Herzens einen wunderschönen Hecht an Land.
Natürlich gab es jetzt kein halten mehr. In Windeseile wurde das Zelt aufgebaut, den Rest konnte man auch später noch aus dem Auto holen.
Mit Spinnrute und Köderbox wurde Strecke gemacht. Weit kam ich allerdins nicht, denn schon 50 m weiter knallte mir plötzlich etwas heftig in die Schnur. Der Puls rauschte sofort in den Ohren, denn die langsamen aber gewaltigen Schläge machten überaus deutlich, dass ich da etwas am anderen Ende der Nahrungskette sehr, sehr böse gemacht hatte.
Ich brauchte eine Weile um den Brocken heran zu drillen. Andrea hatte natürlich mitbekommen, dass ich dort zu kämpfen hatte und leistete mir moralischen Beistand.
Als er dann in Sicht kam traute ich meinen Augen kaum. Da war der Meterhecht! Wenn das ausreichte. Durch sein stetiges winden konnte ich die Größe nicht wirklich sehen, wohl aber den Kopf in Kleinkind-Größe.
Leider wurde mir in der Sekunde auch bewusst, dass eine Landung nur dann gelingen konnte wenn ich zu dem Gesellen ins Wasser steigen würde.
Ich war schon aus den Schuhen heraus, als mir aufging, dass ich mein neues Handy noch in der Tasche hatte. Aus leidvoller Erfahrung wollte ich nicht riskieren schon wieder ein neuwertiges und sündhaft teures Gerät im Angelwasser zu ersäufen.
Mein adrenalinvernebeltes Gehirn schaffte wohl noch eine syntaktisch wertlose Äußerung in Richtung Andrea, welche ungefähr so geklungen haben muss:
Andrea! Hilfe! Da! Hose, Hose, Hose!
Im Nachhinein hätte die Anweisung vielleicht etwas präziser sein können, das gebe ich zu.
Andreas Reaktion, mit Sicherheit der Aufregung geschuldet, war es in diesem Moment, mit beherztem Griff an meine Hosenbeine und einem kräftigen Ruck…
… mir die Hose, samt Boxershorts, bis zu den Knien herunter zu ziehen!
Da stand ich nun, mit freischwingendem Ihrwisstschonwas, eine kühle Brise wehte mir um den blanken Allerwertesten und einem Gesichtsausdruck für den ich Gott danke ihn nicht gesehen zu haben.
Meister Esox ließ sich an dieser Stelle nicht zweimal bitten, drehte sich einmal um die eigene Achse, hebelte damit meinen Spinner aus dem mächtigen Kiefer und verschwand im torfroten Wasser.
Mit großen Augen sah ich Andrea an. Dann zog ich meine Hose wieder hoch. Dann ging ich. Weg. Weit weg.
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